Verena Kammerer

Fotografin: Manu Gruber

Auf den ersten Blick erscheinen die Zeichnungen von Verena Kammerer als Collagen. Sie zeichnet alte Porträtphotographien ab, oft sind es Kinder, und stellt dazu Tiere, die sie
Darstellungen aus Lexika entnimmt. Diese Zuordnung hat etwas Befremdliches, fast Unheimliches, denn beide, die fast starren Porträts und die das Typische darstellenden
Tierzeichnungen haben keinen ersichtlichen Bezug zueinander, außer, dass sie sich geradezu auf den Leib rücken. Bei manchen gibt es eine zufällig scheinende, gedankenverlorene Berührung. Beide scheinen unvermittelt in einen Raum gestellt zu sein, der nicht ihre Sphäre ist. Dazu ist die Zeichnung oft nicht ausgeführt, Plastisches verliert sich in andeutender Linie. Als würde ein defekter Apparat sie an einen falschen Ort in unrichtigen Größenverhältnissen übertragen haben.

Wenn Collage bedeutungsmäßig Entferntes in einen neuen Sinnzusammenhang zu stellen beabsichtigt, sind das keine Collagen. Die Zusammenstellung bleibt unvermittelt, das Surreale, das Traumhafte hat keine Deutung, die als Ordnung den Zeichnungen das Beunruhigende nähme. Sie sind absurd, würde man sagen, ohne dass aber damit etwas gesagt wäre. Man rettete sich am besten ins Dekorative, um der problematischen Konstellation auszuweichen, die so bestimmt in der Serie und in der Akribie der einzelnen Zeichnung behauptet wird. Das Problem, das sich hier ohne Aussicht auf Lösung stellt, ähnelt dem, das mir im täglichen Leben begegnet, ohne dass es mir als solches noch bewusst wird.


Ich bin umgeben von Dingen, deren Herkunft mir fremd bleiben muss, deren Nebeneinander mir absurd erscheinen müsste, die mir angepriesen, aber nicht vermittelt werden. Sie sind starr in dem Sinn, dass sie sich nicht mir anpassen, sondern nur einer Objektivierung meiner selbst. Dennoch berühre ich sie gedankenlos. In den Zeichnungen werden zwei Erstarrungen zusammengebracht: Dass etwas sich vor dem photographischen Apparat verewigt und dass
etwas unter wissenschaftlichem Interesse aufs Typische reduziert wird. Der Mechanismus der Erstarrung heißt Objektivieren. Die Zeichnungen arbeiten daran, diese Starre zu lösen. Es scheint das eine durch das andere wieder zu Leben zu kommen in einer unmerklichen Bewegung zueinander oder als das sei eine jeweils des anderen Hintergrund.

Stefan Döring